MSO begeistert 1100 Zuhörer
Stille. Aus dem dunklen Nichts kommend, mit einer tiefen Basslinie beginnend, sich aufbauend, angetrieben von Paukenschlägen, bis hin zum gewaltigen, strahlenden C-Dur-Höhepunkt. So eröffnete sich dem Zuhörer in knapp zwei Minuten nahezu das gesamte, gewaltige Klangspektrum des Modern Sound[s] Orchestra (MSO). Die Neujahrskonzerte des sinfonischen Blasorchesters aus Seelze bei Hannover haben sich in den vergangenen Jahren zu bedeutenden Veranstaltungen in der Region Hannover etabliert. In diesem Jahr kamen 1100 Zuhörer zu den drei ausverkauften Konzerten des sinfonischen Blasorchesters aus Seelze bei Hannover. Der Auftakt der diesjährigen Konzertreihe fand auf Einladung der dortigen Kreissparkasse in Osterholz-Scharmbeck statt, das zweite Konzert einen Tag später im Kulturzentrum Pavillon in Hannover und das dritte am darauffolgenden Wochenende im Neuen Forum in Seelze.
Das im letzten Jahr als Sieger aus dem Niedersächsischen Orchesterwettbewerb hervorgegangene MSO hatte seine Neujahrskonzerte unter das Motto „Horizonte“ gestellt. Und wie können Konzerte unter solch einem Motto besser begonnen werden, als mit der monumentalen Fanfare aus der Tondichtung Also sprach Zarathustra von Richard Strauss, die als musikalische Morgenröte epochalen Ausmaßes bezeichnet und spätestens seit der Eröffnung des Stanley Kubrick-Filmes 2001 – Odyssee im Weltraum weltberühmt wurde? Nach diesem musikalischen Sonnenaufgang verweilte das ambitionierte Orchester unter der Leitung von Henning Klingemann noch für kurze Zeit „über dem Horizont“ in den unendlichen Weiten des Weltraums. Einen Satz aus einem der erfolgreichsten Konzertstücke des 20. Jahrhunderts präsentierten die Musiker mit Gustav Holsts Jupiter aus seiner Orchestersuite Die Planeten. Als „Bringer der Fröhlichkeit“ interpretierte Holst den größten Planeten in unserem Sonnensystem. An das Orchester höchste Anforderungen stellend entwickelte sich nach extrem schnellen Läufen in den Holzbläsern aus Akkordfolgen mit übermäßigen Quarten das bekannte Thema, erhaben und strahlend. Es wechselten sich laute mit leisen, pompöse mit zierlich flirrenden Stellen ab.
Fröhlich und nicht weniger anspruchsvoll ging es weiter. In seiner Kindheit war das Lieblingsbuch des Komponisten Franco Cesarini Die Abenteuer des Tom Sawyer. Aus seinen Erinnerungen an den Zauber von Freude, Angst und Freiheit ließ Cesarini die Romanfiguren in der fünfsätzigen Tom Sawyer Suite musikalisch aufleben. Dirigent Henning Klingemann hatte den aus 63 Musikern bestehenden Klangkörper sehr gut ausbalanciert, sodass immer die melodieführenden Instrumente im Vordergrund standen. So konnte man den abenteuerlustigen Jungen Tom Sawyer förmlich im Raum herumspringen und den gefährlichen Injun Joe durch die Reihen schleichen sehen. Wilde, temperamentvolle Rhythmen im Schlagwerk, kontrastiert von warmen Klängen der Blasinstrumente und garniert mit einem Trompetensolo kennzeichnen die Conga del Fuego Nuevo. Das MSO unternahm mit seinen Zuhörern mit dieser Komposition von Arturo Márquez eine Reise durch eine lateinamerikanische Klanglandschaft. Weitere Reisen, die durch die ausgefeilte musikalische Gestaltung des Orchesters zu einem puren Klangerlebnis wurden, führten an diesem Abend noch in die Welt der Filmmusik (die Titelmusik zu Zurück in die Zukunft und Who Wants to Live Forever aus dem Film Highlander).
Mit jubelnden Blechbläserfanfaren, feinen Solostellen und vollen Orchestersätzen sowie außergewöhnlichen Klangfarben eröffnete das Orchester mit der majestätischen Symphonic Overture von James Barnes die zweite Konzerthälfte. Nach dem rhythmusbetonten Jazz-Standard Spain des US-amerikanischen Musikers Chick Corea, in dem ein von den Klarinetten vorangestelltes, träumerisch ruhiges von Joaquín Rodrigo komponiertes Stück verarbeitet wurde, folgte mit Deliverance eine spannende Konzert-Suite voller Farben und Kontraste. Bei dem abschließenden Werk Imagasy (= Imagination + Fantasy) des jungen deutschen Komponisten Thiemo Kraas wurde jeder einzelne Zuhörer eingeladen, sich individuell auf die vielschichtigen Klangwelten einzulassen und in seine eigenen Traumwelten einzutauchen. Dass der begeisterte Schlussapplaus Zugaben einforderte, war nach diesem Konzert selbstverständlich. Etwas überraschend war jedoch, dass das MSO auch bei den leicht und locker wirkenden Bonusstücken das hohe Niveau aufrecht hielt: Popcorn, besonders den etwas älteren Zuhörern aus den siebziger Jahren bekannt, in einem filigranen und rhythmisch federleicht swingenden Arrangement mit diversen Solopassagen und Leonard Bernsteins Mambo aus dem Musical West Side Story mit einer furiosen, sich steigernden Grundstimmung, gekennzeichnet durch variierende Percussionsinstrumente und wilde Metren.
Mit diesen niveauvollen Konzerten höchster Güte hat das preisgekrönte MSO seine herausragende Position innerhalb der niedersächsischen Amateur-Blasmusikszene eindrucksvoll unter Beweis gestellt und dem Publikum durch die Präsentation vieler Facetten sinfonischer Blasmusik ganz im Sinne der Konzertüberschrift tatsächlich völlig neue musikalische Horizonte eröffnet.
(tj/an/fm)