Am Sonntag, 31. März 2019, strömten trotz herrlichsten Frühlingswetters, verkaufsoffenen Sonntags und Hannover 96-Spiels 220 Zuhörer in die Neustädter Hof- und Stadtkirche in der hannoverschen Calenberger Neustadt zum Konzert des Modern Sound[s] Orchestra (MSO). Die etwa 60 Musiker unter der Leitung von Henning Klingemann bestritten das Konzert jedoch nicht alleine, sondern hatten drei Gäste eingeladen, die im Laufe des Nachmittags als Solisten auftraten.
Los ging es aber erst einmal fulminant mit der Ouvertüre „Jubilance“ von Benjamin Yeo. Die strahlenden Fanfaren der Blechbläser und die ausdruckstarken, langsameren Passagen der Holzbläser ließen hier schon erahnen, welchen (Klang-)Farbenreichtum das Konzert unter dem Motto „Colors“ dem Publikum bieten würde.
Anschließend bat Dirigent Henning Klingemann, der wieder einmal charmant moderierend durch den Nachmittag führte, die erste Solistin auf die Bühne. Anna-Denise Rheinländer ist u. a. Mitglied der Kammerphilharmonie Lübeck und Ausbilderin in der Bläserakademie Seelze, die genau wie das MSO Teil des Vereins Jugendblasorchester Seelze e. V. (Jbo) ist. Schon mit den ersten Tönen zog die Flötistin das Publikum in ihren Bann. Bei der „Rhapsody for Flute“ von Stephen Bulla wechselten die Klangfarben von dunkel und warm zu verspielt und leicht. Auch jazzige Harmonien waren zu hören. Im Verlaufe des Konzerts kamen die Zuhörer noch zwei weitere Male in den Genuss dieses vollen Flötentones – das Orchester gab der Solistin dabei ausreichend Raum. Bei der spanischen Serenade „Open Thy Heart“, einem von Georges Bizet vertonten Gedicht von Louis Delâtre, fehlten keine Worte – das ausdrucksstarke Spiel machte diese mehr als wett. In eine weitere Farbwelt tauchten Solistin, Musiker und Publikum bei „Cinclus Arctica“ des finnischen Komponisten Ilari Hylkilä ein. Die Komposition beschreibt eine Wasseramsel – die Interpretation Anna-Denise Rheinländers ließ dieses Tier förmlich vor den Augen bzw. Ohren des aufmerksam lauschenden Publikums entstehen.
Das MSO zeigte mit drei weiteren Werken ohne Solisten seine Bandbreite: So erklang mit dem variierten Spiritual „Amazing Grace“ von Frank Ticheli Besinnliches. Einen Ausflug in die Filmmusik gab es mit „Spirit – Der wilde Mustang“ von Hans Zimmer. Die Originalkomposition für sinfonisches Blasorchester „subTERRA“ von Daniel Weinberger, mit der das MSO 2015 den Niedersächsischen Orchesterwettbewerb sowie den Sonderpreis „Interpretation zeitgenössischer Musik“ gewonnen hatte, zeichnete die Geschichte eines Bergarbeiters nach, der wie durch ein Wunder den Einsturz eines Stollens überlebt hatte.
Vor der Pause erlebte das Publikum dann das namengebende Hauptwerk des Konzerts: „Colors“ von Bert Appermont. Dafür hatte das MSO Oliver Rülicke als Solisten gewinnen können, der seit 2012 im Heeresmusikkorps Hannover musiziert und dort seit 2016 die Stelle des Soloposaunisten innehat. Das Ziel des Komponisten war es, in „Colors“ möglichst viele Klangfarben der Posaune zu zeigen. Die Umsetzung gelang Oliver Rülicke herausragend, das Publikum war begeistert. „Dass eine Posaune so klingen kann, wusste ich gar nicht“, war von dem einen oder anderen Zuhörer in der Pause zu vernehmen. Jedem der vier Sätze stand eine konkrete Farbe Pate. So steht der erste, gelbe Satz für Weisheit und Licht, beim Zuhören spürt man förmlich die Sonnenstrahlen auf der Haut. Der rote Satz stellt einen Überlebenskampf dar und symbolisiert Mut und Willensstärke. Im Kontrast dazu steht der dritte Satz. Die Farbe Blau wird durch einen ruhigen, melancholischen Sechsachteltakt dargestellt, der Satz wirkt melancholisch verträumt. Mit dem letzten, grünen Satz erklingt neue Hoffnung. Oliver Rülicke vermochte diese vier Sätze bzw. Farben hervorragend mit seiner Interpretation zu charakterisieren.
Als dritter Solist trat in der zweiten Konzerthälfte Arne Pünter auf die Bühne, der in den drei Werken, die er präsentierte, drei verschiedenen Saxophone und damit auch drei unterschiedliche Klangfarben einsetzte. Arne Pünter ist freischaffender Musiker, Komponist und Musikpädagoge. Sowohl als Musiker als auch als Veranstalter engagiert sich Arne Pünter intensiv in der freien Jazzszene Hannover. Darüber hinausgibt er Instrumentalunterricht und leitet Ensembles, unter anderem auch in der Bläserakademie des Jbo. Mit dem im Fünfvierteltakt stehenden „Take Five“ von Paul Desmond gab Arne Pünter ein lässig-jazziges Solo auf dem Tenorsaxophon zum Besten. Für „Englishman in New York“ griff der Musiker anschließend zum Sopransaxophon. Dieses Instrument charakterisiert, genau wie im Original von Sting, mit seinen virtuosen Einwürfen und Umspielungen das Anderssein und Sich-Fremd-Fühlen in einer neuen Welt. Dass er auch klassisch kann, zeigte der Jazzer Arne Pünter beim Abschlussstück des Nachmittags: „Csárdás“, das 1904 von Vittorio Monti ursprünglich als Rhapsodie für Violine, Mandoline oder Klavier komponiert wurde, hat seine musikalische Basis in Ungarn. Arne Pünter brachte mit seinem Altsaxophon das ungarische Temperament in die Neustädter Hof- und Stadtkirche.
Nach zwei Zugaben – Highland Cathedral und Birdland, wobei bei Letzterem Oliver Rülicke und Arne Pünter nach einmal als Solisten agierten – verabschiedete sich das MSO mit seinen Gästen vom Publikum. Es war ein farbenreicher Nachmittag, der wieder einmal den Facettenreichtum sinfonischer Blasmusik zeigte.
Für die MSOler heißt nach dem Konzert aber auch vor dem Konzert: Am 23. Juni 2019 spielen sie gemeinsam mit den anderen Vereinsensembles ein großes Jubiläumskonzert auf dem Rathausplatz in Seelze. Los geht es um 15 Uhr, Karten sind bereits bei Petri & Waller im Vorverkauf erhältlich.
(fm)